Auf Twitter kam die Frage auf, ob ein zur Straße gehörender Radweg eine von der Fahrbahn abweichende Vorfahrtsregelung haben kann. Ausgangspunkt war dieser Tweet:
Leider ist der verlinkte Artikel nicht sehr eindeutig, auf dem dort gezeigten Foto ist die Radverkehrsführung vor der Neuregelung zu sehen. Deshalb meine Antwort:
Besagter § 9 Abs. 3 StVO lautet nämlich:
(3) Wer abbiegen will, muss entgegen kommende Fahrzeuge durchfahren
lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder auch
dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung
fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen
Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß
Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.
Diese Regel wird durch ein Vorfahrt-beachten-Schild am Radweg nicht aufgehoben, denn das richtet sich ja nur an den Verkehr auf dem Radweg. Der abbiegende Verkehr muss also weiterhin auf Radfahrer warten, die auf dem Radweg entlang der Hauptstraße unterwegs sind. Dadurch entsteht eine ziemliche schräge Situation, weil diese Radfahrer trotzdem die Vorfahrt (mindestens) der aus der Seitenstraße kommenden Fahrzeuge beachten müssen. Das ist so schräg, dass es dem Ordnungsziel der StVO widerspricht. Randnummer 4 der VwV zu §§ 39-43 StVO lautet:
Verkehrszeichen, Markierungen, Verkehrseinrichtungen sollen den Verkehr sinnvoll lenken, einander nicht widersprechen und so den Verkehr sicher führen.
Etwas anders wird die Situation, wenn der Radweg nicht mehr zur Straße gehört:
Wenn die Gestaltung eindeutig so ist, dass der Radweg quasi mit einer eigenen Kreuzung über die Seitenstraße geführt wird, ist § 9 Abs. 3 StVO nicht mehr relevant, der Abbiegevorgang ist dann schon abgeschlossen. Eindeutige Gestaltung bedeutet zum Beispiel, dass keine Furt markiert sein darf und das der Radweg mindestens fünf Meter entfernt von der eigentlichen Kreuzung über die Seitenstraße geführt wird.
Die Frage lautet dann aber: Ist der Radweg noch benutzungspflichtig?
Nun ja, für den Bereich, in dem der Radweg von der Fahrbahn weg geführt wird, trifft das vermutlich zu: Der Radweg gehört nicht zur Straße, also muss er dort auch nicht benutzt werden. Was aber ist mit den Abschnitten dazwischen, dort, wo der Radweg direkt neben der Fahrbahn verläuft? Dort ist der Radweg eindeutig der Straße zuzuordnen und muss deswegen auch benutzt werden. Das setzt allerdings voraus, dass der Weg erreichbar ist, wenn es nach der Kreuzung eine Auffahrt auf den Radweg gibt, muss diese benutzt werden. Umgekehrt darf der Radfahrer den Weg aber auch rechtzeitig vor der Kreuzung verlassen. Gerade außerorts wird das häufig zu Situationen führen, wo der Radweg nie befahren werden kann, weil es abgesehen von den Kreuzungen keine Auf- oder Abfahrtmöglichkeiten gibt. Mir ist allerdings kein Urteil bekannt, das diese Ansicht untermauert, im Zweifel wird man also einen Amtsrichter von dieser Rechtsauffassung überzeugen müssen.